Ein Gastbeitrag
Von Martin Wimmer & Max Kaplan 30.11.2022 | 5 Minuten Lesezeit
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Was habt ihr alles in eurer Sammlung? Wieso wollt ihr das digitalisieren? Wie genau macht ihr das? Was haben wir davon? Wohl jedes Museum kennt diese Fragen. Mit dieser gesunden Neugier bringen Besucher:innen und Nutzer:innen von Ausstellungen und Sammlungen die Mitarbeiter:innen von Museen ins Grübeln. Wie kann man so komplexe Fragen auf die Schnelle beantworten? Ganz einfach: mit kurzen Erklärfilmen.
Screenshot eines Erklärfilms
Das Projekt
Sammlungserschließung und -entwicklung am Museum für Naturkunde Berlin hat sich der Herausforderung gestellt, solche grundlegenden Fragen anschaulich zu beantworten. Wir sind nicht nur damit beschäftigt, unsere vielfältigen Sammlungen aufzuarbeiten, damit sie den neuesten Standards entsprechen und weiterhin für die Wissenschaft nutzbar sind. Wir halten es auch für wichtig, zu zeigen, welche konkreten Prozesse und Arbeitsschritte sich „hinter den Kulissen“ abspielen, was sie beinhalten und welchen Gewinn sie unseren Nutzer:innen auf lange Sicht bringen.
Daher richten sich unsere Erklärvideos an alle, die sich für unsere Arbeit oder überhaupt für Wissenschaft interessieren. Da sich das MfN Berlin als Forschungsmuseum versteht, möchten wir unserem Publikum den Aspekt der „Forschung“ näherbringen. Was genau meinen wir mit „Forschung“? Zum Beispiel, dass wir unsere Sammlungen erschließen und entwickeln. Wir überprüfen, in welchem Zustand sich die einzelnen Sammlungsobjekte befinden, wir finden Lösungen, wie wir sie besser konservieren können, und wir digitalisieren sie. Jedes Objekt ist ein Datenträger – und Daten bedeuten Informationen und Wissen. Dieses Wissen soll für alle Menschen auf der ganzen Welt verfügbar sein. Sie sollen darauf zugreifen können, um Antworten zu finden oder neue Fragen zu stellen, um zu forschen oder um kreativ zu werden. Klingt ein bisschen schwammig? Genau hier kommen unsere Erklärvideos ins Spiel.
Bisher haben wir
fünf kurze Videos erstellt. Zunächst haben wir in einem
Intro-Video erklärt, was das MfN Berlin als Forschungsmuseum ausmacht und Highlights wie die
Digitalisierungsstraße oder den Schnecken-Scanner DORA erwähnt. Im
zweiten Clip ging es um die einzelnen Arbeitsschritte der Sammlungserschließung; dass die Objekte konserviert und mit einer ID ausgestattet werden; dass wir ihre Daten digital erfassen, abspeichern, überprüfen und zum Beispiel über das
Datenportal veröffentlichen. Im
dritten Film haben wir gezeigt, dass sich dank der Erschließung Nutzer:innen mit nur wenigen Klicks einen ersten Überblick über unsere Sammlungsobjekte verschaffen können, ohne dafür eine lange Reise antreten zu müssen, wie es früher – in den vor-digitalen Zeiten – mitunter der Fall war. Während das
vierte Video zeigt, wie Nutzer:innen aktiv an der Wissensproduktion des Museums mitwirken können, ist im
fünften Video zu sehen, wie dieses Wissen mit anderen Institutionen vernetzt wird.
Screenshot der Kiosk-App als Exponat für die MS Wissenschaft mit Einbindung der Erklärfilme
Die ersten drei Filme zeigten wir erstmals im Mai 2022 auf der
MS Wissenschaft. Zwei Monate später konnten sich Besucher:innen die Videos auf der Langen Nacht der Wissenschaften im Mineraliensaal des MfN anschauen. Dies war zunächst über einen kleinen Kiosk mit Touch-Screen möglich, den interessierte Nutzer:innen selbständig bedienen konnten, um sich die Videos oder Fotografien vom Digitalisierungsprozess anzusehen oder ins Datenportal einzutauchen. Die Installation wurde von Jens Dobberthin und Jasper Funk-Smit entwickelt. Mittlerweile sind die Clips auch
auf YouTube veröffentlicht. Zudem werden sie über weitere soziale Medien kommuniziert.
Kiosk mit Touchscreen auf der MS Wissenschaft 2022. Foto: Nadja Tata / MfN
Kiosk mit Touchscreen auf der Langen Nacht der Wissenschaften im Museum, Juli 2022. Foto: Nadja Tata / MfN
Wie genau sind die Filme entstanden? Die Projektleitung der Sammlungserschließung und -entwicklung hat mit dem angedockten Applikationslabor
Mediasphere For Nature ein Team gebildet: die beiden studentischen Hilfskräfte Max Kaplan und Martin Wimmer haben unter der Leitung von Dr. Jana Hoffmann und in enger Zusammenarbeit mit Tina Schneider und Jens Dobberthin Texte als Grundlage für die Videos entwickelt, die Videos über den Anbieter Simpleshow erstellt und dafür Grafiken von Christine Oymann genutzt. Auf Basis der Texte lassen sich im Webbrowser auf Simpleshow ganz einfach Storyboards erstellen, die nach Belieben angepasst werden können. So war es uns auch möglich, externe Grafiken hochzuladen und die Videos selbst einzusprechen. Dabei war es wichtig, einen roten Faden für jeden Film zu entwickeln: Was ist die Ausgangsfrage? Welche Problematik wollen wir ansprechen und welche Antwort geben wir darauf? Wo liegt der Aha-Effekt für die Zuschauer:innen? Wie lässt sich alles in einer eleganten, verständlichen Sprache verpacken?
Auszug aus der Grafikbibliothek von Christine Oymann
Bei der Erstellung der Videos war es wichtig, eine effektive und unterhaltsame Bildsprache zu entwickeln. Indem wir alle Grafiken handgefertigt von Christine Oymann bezogen, verliehen wir den Videos einen einheitlichen künstlerischen Stil, eine ansprechende Kombination aus Infografik und lebhaftem Cartoon. Mit diesen Grafiken konstruierten wir plastische Szenen. Jedes Bild sollte räumlich wirken und alle Grafiken sollten in einer sinnvollen, auf den ersten Blick nachvollziehbaren Beziehung zueinander stehen. Statt sie einfach hintereinander ins Bild zu setzen, bauten wir ein Zimmer, einen Präsentationsraum, wir stellten das Geschehen auf Computerbildschirmen nach oder setzten das gezeichnete Museum für Naturkunde in ein offenes Fenster, nur wenige Schritte von zu Hause entfernt. So wurden aus Erklärvideos echte Erklärfilme.