Schneckenklänge aus Mustern

Christel Clerc & Nadja Tata

Von Christel Clerc & Nadja Tata
10.12.2021 | 5 Minuten Lesezeit

Im Projekt MuShell ­– Music of the Shell machen TU-Studierende die Vielfalt der Muster in der Natur hörbar. Inspiriert von der Bildassoziation zwischen Walzenspieldose und Kegelschnecken verwandeln sie die Muster der Gehäuse von Schnecken aus der Sammlung „Molluska“ (Weichtiere) in Partituren. Dabei eröffnen sie einen neuen klanglichen Zugang zur Sammlung und erstellen 3D-Modelle zur kreativen Nachnutzung.

<em>Oliva porphyria</em> in Frontal- und Seitenansicht (Foto: Christel Clerc / MfN)
Oliva porphyria in Frontal- und Seitenansicht (Foto: Christel Clerc / MfN)

Projekt & Akteur*innen

Felix (M. Sc. Technischer Umweltschutz), Julia (M. Sc. in Biotechnologie), Charlotte (B. Sc. Bioinformatik), Daniel (M. Sc. in Technomathematik), Anton (B. Sc. Chemie) und Daniel (B.Sc Medientechnik) haben zwei Sachen gemeinsam: ein Interesse an gut gemachter Wissenschaftskommunikation und Lust darauf, die Vielfalt der visuellen Muster in unserer Natur hörbar zu machen.

Alle sechs nehmen Teil am Praxisseminar lab:prepare, einem Experimentallabor für Wissenschaftskommunikation unter Leitung von Dr. Robert Richter, Dozent an der TU Berlin, Experte für Wissenschaftskommunikation und ehemaliger Mitarbeiter der Mediasphere For Nature am Museum für Naturkunde. Diese Lehrveranstaltung von Project Sci.com erforscht die bidirektionale Kommunikation zwischen Wissenschaftlerinnen, Studierenden und Öffentlichkeit und wird von der Berlin University Alliance gefördert.

Studierende des Kurses <em>lab:prepare</em> und des MuShell-Teams (Foto: Christel Clerc / MfN)
Studierende des Kurses lab:prepare und des MuShell-Teams (Foto: Christel Clerc / MfN)

Als Robert uns das Studienkonzept MuShell – Music from Shells vorstellte, haben wir – das Mediasphere Team – uns besonders darüber gefreut, den Zugang zu unserer Sammlung „Molluska“ für diese experimentelle und kreative Vorgehensweise zu ermöglichen. Auch wenn die „Muscheln“, die für dieses Projekt gesucht wurden, in Wahrheit Schnecken sind!

Von Mustern zu Klängen

Inspiriert von der Bildassoziation zwischen Walzenspieldose und Kegel- und Olivenschnecken erarbeiteten die Studierenden ein Konzept, welches die Gehäusemuster der Schnecken in einen klanglichen Output überführt. Nachdem die Studierenden 3D-Modelle von den Schnecken erstellt haben, vertonten sie die Gehäusemuster virtuell in einem komplexen Prozess. Ausführliche biologische und technische Informationen über die Entstehung von Gehäusemustern und über ihren vielschichtigen Interpretationsvorgang, Herausforderungen und Ergebnisse findet Ihr in ihrem Blogartikel.

Schnecken-Spieldose für die Präsentation und Ausstellung „Soft Encounters“ in der Floating University Berlin, Oktober 2021, mit leuchtenden LEDs des ausgewählten Streifens. (Foto: Christel Clerc / MfN)
Schnecken-Spieldose für die Präsentation und Ausstellung „Soft Encounters“ in der Floating University Berlin, Oktober 2021, mit leuchtenden LEDs des ausgewählten Streifens. (Foto: Christel Clerc / MfN)

Komposition der Conus nussatella an der interaktiven Station mit Schnecken-Spieldose in der Floating University Berlin (Video: Christel Clerc / MfN)

Rolle der Mediasphere

Die Mediasphere For Nature ist ein Applikationslabor und versteht sich als Brücke zwischen der Sammlung sowie den sammlungsbasierten Medien am Haus und den unterschiedlichen Nutzungsgruppen aus Bildung, Wirtschaft, Kreativ- und Medienindustrie. Für dieses Projekt koordinierte das Team den Zugang zur umfangreichen Molluskensammlung des Museums für Naturkunde und vermittelte das Vorhaben an die Sammlungspflegerin Christine Zorn. Dank Ihrer Expertise und Beratung konnten die Studierenden eine gezieltere Auswahl von verschiedenen Kegelschnecken (Conidae) und Olivenschnecken (Olividae) aus der rund 7 Millionen Objekte umfassenden Weichtiersammlung anhand ihrer Muster treffen. Die 13 räuberischen und teils hochgiftigen ausgewählten Schnecken leben auf den Böden von tropischen und subtropischen Meeren und stammen größtenteils aus Ostafrika, dem Roten Meer und dem indopazifischen Raum.

Die Sammlungspflegerin Christine Zorn berät Robert Richter und die Studierenden bei der Schnecken-Auswahl und gibt Hinweise für eine sichere Handhabung der Schnecken-Gehäuse. (Foto: Nadja Tata /MfN)
Die Sammlungspflegerin Christine Zorn berät Robert Richter und die Studierenden bei der Schnecken-Auswahl und gibt Hinweise für eine sichere Handhabung der Schnecken-Gehäuse. (Foto: Nadja Tata /MfN)

Die Studierenden bei der Auswahl von für die Digitalisierung passenden Kegelschnecken (Foto: Nadja Tata / MfN)
Die Studierenden bei der Auswahl von für die Digitalisierung passenden Kegelschnecken (Foto: Nadja Tata / MfN)

<em>Conus aulicus</em>, Hofkegelschnecke, in ihrer Sammlungsschachtel (Foto: Christel Clerc / MfN)
Conus aulicus, Hofkegelschnecke, in ihrer Sammlungsschachtel (Foto: Christel Clerc / MfN)

Außerdem unterstützte die Mediasphere die Studierenden bei der öffentlichkeitswirksamen Präsentation ihrer Arbeitsprozesse in Form von Tweets, einer Foto- und Videodokumentation und der Möglichkeit zu einem eigenen Blogartikel. Durch einen intensiven Austausch und Feedbackrunden erlernen die angehenden Wissenschaftler*innen, ihre Projektergebnisse, Reflexionen und Vorgehensweisen für ein breites Publikum im Form von Visuals und Texten zu kommunizieren. 

Öffnung der Sammlung

Ziel des Projekts ist es außerdem, im kommenden Jahr die gewonnenen 3D-Modelle aus dem anfragegetriebenen Erschließungsprozess der Studierenden über das Datenportal des Museums auch für kreative Nachnutzungen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, um eigene Projektideen damit zu verwirklichen. Auch Teile der Gehäusemuster-Klänge und Kompositionen werden im Datenportal veröffentlicht.

So können viele weitere Nutzer*innen die Vielfalt unserer Schneckensammlung sowie die einzigartigen Muster bewundern und recherchieren. Die Studierenden werden in die Erschließung der Sammlung eingebunden und auf diese Art indirekt mit den Arbeitsweisen und Arbeitsprozessen eines Forschungsmuseums vertraut gemacht.

<em>Conus aulicus</em> beim Photogrammetrie-Shooting in der von den Studierenden selbst gebauten Lichtbox (Foto: Nadja Tata / MfN)
Conus aulicus beim Photogrammetrie-Shooting in der von den Studierenden selbst gebauten Lichtbox (Foto: Nadja Tata / MfN)

Sammlungsräume als Bildungsräume

Das Projekt unterstützt den Bildungsauftrag von Museen und stellt seine Sammlung auch dem nicht-naturwissenschaftlichen Nachwuchs, z.B. für das Erlernen von relevanter Wissenschaftskommunikation zur Verfügung. Dadurch leistet die Mediasphere For Nature einen wichtigen Beitrag zum Abbau der Grenzen zwischen Forschung/Wissenschaft und Öffentlichkeit. Mit den Medien in unserem Datenportal möchten wir nicht nur die Sammlung für Wissenschaftler*innen zugänglicher machen, sondern vor allem ein breites und diverses Publikum für die Schätze der Sammlung und die Wunder der Natur sensibilisieren.

Zwei Studentinnen überprüfen die Qualität der Fotoaufnahmen in der Sammlung „Molluska“ (Foto: Christel Clerc / MfN)
Zwei Studentinnen überprüfen die Qualität der Fotoaufnahmen in der Sammlung „Molluska“ (Foto: Christel Clerc / MfN)

Sinnliche & ästhetische Zugänge zu naturkundlichen Sammlungen

Mit ihren Kompositionen erschaffen die Studierenden Medien, die das Sichtbare hörbar machen. Dadurch entstehen neue und ungewohnte Perspektiven auf die historisch gewachsene und wissenschaftlich dominierte Sammlung des Museums. Die Kompositionen können in anderen Kontexten verwertet werden, wie beispielsweise für die Vermittlung von der Vielfalt der Muster in der Natur an Sehbeeinträchtigte. Außerdem können die Kompositionen in andere ästhetische Projekte eingebunden werden, z.B. in performativen Künsten oder Kunstinstallationen. Durch einen niedrigschwelligen Zugang zu sammlungsbasierten Medien und unseren Events (z.B. der Musik-Hackathon Your Ocean Sound im Frühjahr 2021) werden Auseinandersetzungen mit der Natur angeregt, die zur Produktion von Kunstwerken oder Aufführungen inspirieren. Die Sammlungsobjekte selbst verlassen ihre vier Wände nicht, fließen aber in ihren vielfältigen Formen, Farben, Mustern und mit ihren geschichtsträchtigen Hintergründen in die gegenwärtige Gesellschaft ein.