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16.06.2021 | 10 Minuten Lesezeit
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Im Frühjahr dieses Jahres riefen wir den Hackathon
Cathal Kerins und Alexandra Tamayo (4. Platz) - Lost in Sound
Alexandra Tamayo & Cathal Kerins - Lost in Sound
Portraits
Cathal und Alexandra sind Kommilitonen im Masterstudiengang Digital Narratives an der ifs (internationale filmschule köln). Cathals Masterprojekt konzentriert sich auf Sound, während Alexandras Schwerpunkt darauf liegt, mittels Augmented Reality mehr Sichtbarkeit für Unterwasserwesen zu erzeugen.
Eines Tages erforschte ich einige Korallen. Plötzlich ging das Licht aus. Ich verstand nicht, was geschah, bis mein Tauchpartner mich darauf hinwies, nach oben zu schauen. Es war ein gigantischer Mantarochen, der über mir schwamm.
—Alexandra Tamayo
Erzählt uns mehr über Eure Komposition.
Beide: Der Fischmarkt am Anfang des Stücks erinnert uns an die Lebensgrundlagen für das tägliche Leben, die vom Meer abhängig sind. Der Rhythmus des Lebens in diesem tropischen, südamerikanischen Fischerdorf erhält einen musikalischen Ausdruck. Die Marktgeräusche sind der reale Klang des Fischmarktes im Hafen von Puerto López, Ecuador. Von hier aus werden wir dann mit einem Motorboot in die Stille des offenen Meeres gebracht, die einen Kontrast zum Motor darstellt.
Wir halten inne, tauchen in die Tiefe ein und begeben uns auf eine Reise, die mit Ungewissheit behaftet ist. Wir begegnen Unterwasserlebewesen und einem Lebensrhythmus, der für uns neu und doch irgendwie seltsam vertraut ist. Der Klang eines Rumpfes. Die Melodie eines Schnorchels. All das bildet die Kulisse für die Begegnung mit einer Meereskreatur. Wenn sie auftaucht, gibt es einen Moment des Zögerns zwischen Taucher und Kreatur. Es findet eine Interaktion statt. Ein Gefühl der gegenseitigen Wertschätzung und des Verständnisses durchdringt. Tier und Mensch. Dann trennen sich Taucher und Kreatur und kehren in die Abgründe ihrer getrennten Medien zurück.
Das Stück spielt in Südamerika vor der Küste Ecuadors, wo Alexandra die Geräusche als Teil ihrer Dokumentation über die Überfischung der Galapagos-Inseln aufgenommen hat. Gemeinsam formten wir eine Erzählung durch Klang, um die Erfahrung der Begegnung mit einem Geschöpf in diesen Gewässern zum Leben zu erwecken.
Das Stück ist allen Mantas gewidmet, die in dieser Region getötet werden, wenn sie in die letzten Wochen ihrer Schwangerschaft eintreten.
Der sich wiederholende Delfin-Sound erinnert an einen Hilferuf und fungiert als beunruhigendes Motiv im gesamten Stück. Es scheint seltsam, falsch und fehl am Platz. Aber es ist die ständige Erinnerung daran, ganz gleich ob wir im Wasser sind oder nicht, die Rufe dieser Tiere in der Tiefe immer noch ertönen und auch in unserem Bewusstsein erklingen sollten, obwohl wir sie im Moment nicht hören können.
Ganz am Ende versetzt der Atem den Zuhörer in die Rolle eines Entscheidungsträgers. Nach der Begegnung weiß oder kann nur der Hörer erahnen, was als nächstes passiert!
Warum habt Ihr Euch entschieden, Eure Komposition den Mantarochen zu widmen?
Alexandra: Ich komme aus Ecuador und bin eine Art Abenteurerin. Ich habe gelernt zu tauchen und die natürliche Tierwelt im Meer zu erforschen. Eines Tages untersuchte ich einige Korallen. Plötzlich ging das Licht aus. Ich verstand nicht, was geschah, bis mein Tauchpartner mich darauf hinwies, nach oben zu schauen. Es war ein gigantischer Mantarochen, der über mir schwamm. Ich erschrak und geriet in Panik. Ich wusste nicht, dass es solche Tiere in meinem Land gibt. Wie gelähmt prallte ich gegen das Korallenriff, was mir sehr leid tat!
Die Situation raubte mir den Atem. Jemand erzählte mir, dass das Tier häufig zu Tauchern kommt, weil es sich gerne mit Hilfe der Blasen reinigt. Mir wurde klar, dass diese fremdartige Kreatur eine menschliche Note hat. Sie können fühlen und haben eine Familie. Ich schaute in ihre Augen. Ich hatte das Gefühl, dass niemand wusste und sich darum kümmerte, dass es sie in unserem Land gibt. Es war also meine Berufung, der Welt zu sagen, dass sie existieren und ein Bewusstsein für sie zu schaffen.
Ich versprach ihnen mitten im Ozean, alles zu tun, was ich kann, um sie zu retten! Mantarochen sind eine Art kolossaler Elefant der Ozeane. Ich rief alle Wissenschaftler in der Umgebung an. Während meiner Forschung verliebte ich mich in diese Geschöpfe und stellte fest, dass nur wenige Menschen von ihrer Existenz wissen. Sie sind große Tiere und eine wandernde Spezies, die von einem Korallenriff zum nächsten zieht.
In den Gewässern Ecuadors sind die Bedingungen für ihre Fortpflanzung perfekt. 80-85% der Riesenmantas, die in Ecuador gesehen werden, sind junge, trächtige Weibchen. Verliebt und auf der Suche nach einem Mann in Ecuador. Verzeiht, dass ich sie vermenschliche!
Cathal: Aber sie können wegen der Netze der Fischer nicht durch die ecuadorianischen Gewässer schwimmen. Viele Mantarochen verfangen sich in den Netzen und sterben - als Beifang. Als Alexandra die Fischer für ihren Dokumentarfilm traf, wurde ihr klar, dass sie Einheimische sind und keine industriellen Fischer. Sie sind arm und unaufgeklärt. Sie fischen so, wie sie es seit Generationen getan haben. Die lokale tropische ecuadorianische Musik und der Marktlärm repräsentieren ihr Leben.
Wie habt ihr zusammengearbeitet?
Cathal: Unsere Professorin des Seminars “Sound Storytelling” hat uns den Hackathon vorgeschlagen. Wir lernten, wie man mit der Technologie eine digitale Erzählung aufbaut. Zuerst einigten wir uns auf die Geschichte: Wir wollten den Hörer von einem Ort zum anderen bringen.
Wir haben drei Motive. Als erstes haben wir eine Auswahl an tropischen Liedern verwendet, um das tägliche Leben der Fischer darzustellen.
Das nächste Motiv erzählt die Geschichte von der Begegnung zwischen dem Tier und dem Menschen. Die Begegnung mit der fremden Kreatur verunsichert die Zuhörer*innen und spiegelt sich in diesem spannungsvollen Motiv. Es folgt ein freudiger Moment des Verstehens, wenn der Zuhörer erkennt, dass der Mensch und das Tier keine Bedrohung füreinander sind. Sie sind einfach zwei Wesen.
So wie ich das verstehe, spielte die Narrative eine entscheidende Rolle in Eurer Komposition?
Ja, die Narrative hat eine zentrale Rolle gespielt und es war spannend, die Geschichte nur mit Klang zu erzählen. Außerdem bemerkte ich, dass Ton viel flexibler als Video ist! Unsere Schule bat uns, ein
Videoformat zu erstellen, um unser Projekt online zu präsentieren. Es war eine Herausforderung, Bilder für eine Geschichte zu erstellen, die auf Ton basiert!
Wie war Eure Erfahrung mit dem Datenportal?
Cathal: Sie war großartig. Wir konnten die Sounds aussortieren und das Format herunterladen, das wir brauchten. Es war ausreichend für das, was wir wollten und mischten die Sounds aus dem Datenportal mit unseren Aufnahmen. Menschliche Interaktion und menschliche Unterwassergeräusche sind faszinierend. Es wäre schön gewesen, mehr anthropogene Geräusche zu haben.
Ich bat ein Familienmitglied, einen irischen Fischer, mir Samples von seinem Boot zu schicken. Er weigerte sich, das Projekt und eine Initiative zur Erforschung von Verbindungen zwischen Unterwasserarten und Menschen zu unterstützen. Für ihn als Fischer fühlte sich das wie eine Bedrohung an und schuf einen Konflikt in meiner Familie.
Alexandra: Ich hätte gerne ein Bild oder eine Beschreibung der Tiere gehabt. Ich wusste nicht, wie sie aussehen. Es war toll, dass wir unsere Geräusche integrieren durften. Mir hat die Freiheit beim Hackathon besonders gefallen, mit der wir mit den Klängen arbeiten konnten.
Danke, dass Ihr Eure Geschichte und Passion mit uns geteilt habt.
Mehr Informationen findet Ihr auf der